22 September 2022

Ask the Expert Donner & Reuschel
Julian Rautenberg

ASK THE EXPERT

Julian Rautenberg

Leiter Private Banking

Herr Rautenberg, gehört Kunst heute zu den Selbstverständlichkeiten eines Vermögens-Portfolios?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Eine breite Streuung des Vermögens über verschiedene Anlageklassen ist ein wesentlicher Grundsatz einer vernünftigen Anlagestrategie. Hierzu gehören neben Aktien, Immobilien, Anleihen, auch weitere Anlageklassen, wie Private Equity, Edelmetalle, Sachwerte wie Oldtimer oder auch Kunst. Für alle Anlageklassen gilt, dass sich ein Anleger mit den Investments wohl fühlen muss und sich über die Chancen und Risiken im Klaren sein sollte. Der Kunstmarkt ist zudem ein besonderer Markt, bei dem auch Emotionen eine besondere Rolle spielen. Wer Kunst als Investment kauft, sollte daher über sehr tiefe Marktkenntnisse verfügen bzw. sich beraten lassen und nach einer klaren Investmentstrategie handeln. Meistens spielt jedoch auch der persönliche Geschmack und weitere emotionale Aspekte beim Kunstkauf eine große Rolle. Wenn es sich beim Kaufmotiv also nicht um eine rein rationale Investmententscheidung handelt, sollte man die Ausgaben auch eher als emotionales oder kulturelles Investment für sich sehen und bei der Betrachtung der Werke nicht täglich über deren Wert nachdenken. Kunst ist insofern mehr und anders als jedes andere Investment.

Kann man den Kunstmarkt mit der Börse vergleichen? Wir sprechen ja im Falle von Picasso oder Warhol auch von Blue-Chip-Kunstwerken. 

Es gibt einige Parallelen zwischen dem Kunstmarkt und der Börse, vor allem hinsichtlich der Psychologie der Marktteilnehmer, die teilweise extreme Schwankungen nach oben und nach unten mitverursachen. Picassos oder Warhols sind unter Risikoaspekten sicher am ehesten mit Blue-Chip-Aktien wie Apple oder Google vergleichbar – bereits sehr teuer, jedoch dafür auch weniger risikoreich. Wer höhere Gewinne sucht, muss den Markt tiefer analysieren, Trends erkennen und risikobereiter sein. Das gilt für die Börse genauso wie für den Kunstmarkt – mit zwei wesentlichen Unterschieden: der Kunstmarkt ist viel intransparenter als der Kapitalmarkt und die Transaktionskosten sind deutlich höher. Anleger müssen sich also gut auskennen oder sich professionell beraten lassen.

Was reizt Sie als Banker an Kunst?

Als Banker haben wir das Gesamtvermögen unserer Kunden im Blick und empfehlen grundsätzlich, keinen zu großen Anteil des Portfolios in einzelne Anlagen (sei es ein Kunstwerk, eine Aktie oder eine Immobilie) zu investieren. Eine konkrete Empfehlung zum Kauf von Kunst geben wir nicht ab, das sollten Kunst-Profis übernehmen. Für mich persönlich ist Kunst vor allem Vergnügen und Inspiration. Wenn ein Kunstkauf zudem einhergeht mit einer positiven Wertentwicklung, stellt es ein sehr reizvolles Investment dar.

Was war Ihr letztes Kunstwerk, das Sie gekauft haben?

Ich freue mich besonders über das letzte Kunstwerk, das wir für unsere Bank erwerben durften. Es handelt sich um eine Original-Lithographie von Thomas Theodor Heine, eine Titelseite der bekannten satirischen Wochenzeitschrift Simplicissimus. In den 1920er Jahren befanden sich die Redaktionsbüros des Simplicissimus-Verlags in den heutigen Räumlichkeiten von DONNER & REUSCHEL in der Friedrichstraße 18 in Schwabing. Wir freuen uns täglich beim Betreten des Foyers in der 1. Etage, an die bewegte Geschichte unseres Münchner Stammsitzes und an die Verbindung zum Simplicissimus zu erinnern.

Wenn sie eine Carte Blanche auf der HIGHLIGHTS hätten, was könnte Sie reizen?

Das Feld von Günther Uecker würde mich reizen. Ich finde es faszinierend, welche Dynamik und Tiefe das Werk ausstrahlt – obwohl es aus simplen, statischen Nägeln gefertigt ist.