Weilheim ca 1580 - 1633 München
Christuskind
1610-1620 , Elfenbein, geschnitten
15,5 cm
Im Kontrapost stehend und mit offenen Armen bietet sich das Christuskind als nackter Knabe mit schlankem Oberkörper und Lockenpracht dar. An der subtilen Modellierung des kindlichen Körpers und an den fein geschnittenen Haarlocken zeigt sich die außerordentliche Qualität dieser manieristischen Kleinplastik, die sich durch ihre kostbare Materialität und künstlerische Virtuosität als Kunstkammerobjekt ersten Ranges auszeichnet. Daß kein anderer als der berühmte Münchener Hofbildhauer Christof Angermair (nach 1580-1633) für diese Statuette verantwortlich zeichnet, zeigt sich deutlich in Anbetracht von Angermairs Hauptwerk: dem Münzschrein, den der Künstler von 1618 bis 1624 für Maximilian I. von Bayern anfertigte und der heute im Bayerischen Nationalmuseum ausgestellt ist. Tatsächlich bildet dieses rundum mit feinsten Elfenbeinreliefs furnierte Prunkmöbel mehrere nackte Kinder als Wappen- oder Kartuschenträger ab, die in Komposition und Stil mit der vorliegenden Statuette übereinstimmen und offensichtlich von derselben Hand stammen wie die besprochene Christusfigur.
Die Skulptur des Christuskindes gehört höchstwahrscheinlich zu dem Frühwerk von Angermair und entstand wohl in der Zeit um 1610-1620. Nicht nur die enge stilistische Verwandtschaft zu dem ab 1618 entstandenen Münzschrein spricht für diese frühe Datierung, sondern auch eine Rechnung vom 4. März 1606, nach welcher Erzherzogin Anna Caterina Gonzaga dem Künstler 6 Gulden für ein „Christlkind“ aus Elfenbein auszahlte. Wie ihr Mann, Ferdinand II. von Tirol, betätigte sich die Erzherzoginwitwe als Sammlerin, wobei sie sich vorrangig auf religiöse Kunst konzentrierte. Überliefert ist, daß sie das „elfenbeinerne Jesusknäblein“ in einem ihrer Gemächer verwahrte. Von der Beliebtheit dieses Statuettentypus in höfischen Kreisen zeugen weitere „elfenbeinerne Jesusknäblein“ dieser Art im Germanischen Nationalmuseum und im Nationalmuseum in Prag, die wohl im Umkreis von Angermair entstanden sind. Von diesen Werken unterscheidet sich indes der vorgestellte Jesusknabe durch die virtuose Ausführung, die klar für das Können von Christof Angermair spricht, dessen Œuvre seine Zeitgenossen als so kostbar einstuften, daß sie meinten, es könnte „mit Geld nit bezalt werden“.