um 1630 - 1678
Höfischer Deckelhumpen aus der Kunstkammer des Königlichen Schlosses zu Berlin
Danzig oder Berlin, um 1670, Elfenbein gedreht und geschnitten; im Deckel: Elfenbeinrelief vor Marienglas, Fassung: Silber, durchbrochen und graviert Altes Etikett „Kugler. Kgl. Kunstkabinett Vom Grossen Kurfürst stammend“ Alte Inventarnummer in schwarzer Tinte auf dem Boden des Humpens: „K.3132“
Höhe 21 cm
Provenienz: 1689 in die Kunstkammer von Friedrich III. von Brandenburg / Friedrich I. König in Preußen eingegangen, bis 1875 in der Königlichen Kunstkammer im Berliner Stadtschloß ausgestellt
Publiziert in: Franz Kugler: Beschreibung der in der Königl. Kunstkammer zu Berlin vorhandenen Kunst-Sammlung, Berlin 1838, S. 210, Nr. 306
Der höfische Deckelhumpen zeichnet sich nicht nur durch seine ungewöhnlich dichte, skulpturale Dekoration, sondern auch durch seine prestigereiche Provenienz aus. Das alte Sammlungsetikett mit der Inschrift „Kugler. Kgl. Kunstkabinett Vom Grossen Kurfürst stammend“ weist darauf hin, dass der Humpen einst im Besitz des Großen Kurfürsten war, Friedrich Wilhelm von Brandenburg (reg. 1640-1688), der in seiner Regierungszeit entscheidend zum Aufbau der brandenburgisch-preußischen Kunstkammer beitrug. Tatsächlich geht der preußische Kunsthistoriker Franz Kugler (1808-1858) in seiner Beschreibung der in der Königl. Kunstkammer zu Berlin vorhandenen Kunst-Sammlung von 1838 ausführlich auf diesen Elfenbeinhumpen ein, der damals in der Königlichen Kunstkammer des Berliner Stadtschlosses ausgestellt war. 1875 wurde der Humpen zusammen mit etlichen Kunstwerken der Königlichen Kunstkammer in das neugegründete Kunstgewerbemuseum transferiert; dabei wurde er mit der neuen Inventarnummer K.3132 versehen, die in schwarzer Tinte auf der Unterseite des Gefäßes aufgemalt ist. In dem 1875 angelegten Kunstkammer-Inventar des Berliner Kunstgewerbemuseums ist der Humpen unter der entsprechenden Nummer sehr genau beschrieben. Als Provenienz wird darin festgehalten: „1689, 30 März auf die Kunstkammer gekommen“ (freundliche Auskunft von Achim Stiegel). Damit zählt der Elfenbeinhumpen zu den wenigen Kunstwerken, die sich bereits im 17. Jahrhundert in den Beständen der brandenburgisch-preußischen Kunstkammer nachweisen lassen.
Die Zuschreibung dieses prächtigen Deckelhumpens an einen Künstler im Umkreis des ostpreußischen Elfenbeinkünstlers Daniel Vading basiert auf einem Vergleich mit zwei reliefierten Deckelhumpen aus gedrechseltem Elfenbein, die sich in Berlin im Bode-Museum und in Privatbesitz erhalten haben und von denen beschriftete Zeichnungen aus der Albertina in Wien belegen, dass es sich um eigenhändige Werke von Vading handelt. Die gedrechselte Grundform des besprochenen Elfenbeinhumpens und die Flachreliefs der zylindrischen Wandung stimmen im Allgemeinen mit dem Œuvre von Vading überein.
Prächtige Humpen aus gedrechseltem und geschnittenem Elfenbein waren im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts äußerst beliebt bei fürstlichen Sammlern, die mit solchen exquisiten und exklusiven Kunstwerken ihre soziale Vorrangstellung, aber auch ihren verfeinerten Geschmack und ihre Kenntnis exotischer Materialien und künstlerischer Verarbeitungstechniken zur Schau stellen konnten. Mit seinem feierlich inszenierten Zug mythischer und allegorischer Figuren stellt der höfische Deckelhumpen aus der Königlichen Kunstkammer des Berliner Schlosses ein einmaliges Zeugnis fürstlicher Sammelkultur dar und verdeutlicht zugleich die Bedeutung Preußens als eines der wichtigen Zentren der Elfenbeinkunst in Europa in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.