Wie sieht Ihre Bilanz aus, wenn es um das Kunstjahr 2024 geht? Sie denken an die schönste Ausstellung, das beeindruckendste Kunstwerk auf der Munich HIGHLIGHTS, die aufregendste Neuerwerbung? Die Kunstökonomin Clare McAndrew hat einen ganz anderen Blick auf die Kunstszene. Ihr jährlicher Art Market Report, von der Art Basel und UBS in Auftrag gegeben, analysiert die wirtschaftliche Potenz der Branche. Er ist das Fakten-Barometer für Auf- oder Abschwung und für gegenwärtige Tendenzen. Die gute Nachricht: Kunst ist auch in der aktuellen angespannten Weltlage sehr gefragt. Es wechselten im vergangenen Jahr weltweit 3% mehr Kunstwerke die Besitzer als 2023. Und trotzdem schrumpfte der globale Umsatz um 12% auf 57,5 Milliarden US-Dollar.
Andy Warhols Beuys-Porträt in unterschiedlichen Versionen am Stand von Benden & Ackermann auf der HIGHLIGHTS 2024. Foto: Jens Bruchhaus
Geht dieser Rutsch mit einem allgemeinen Preisverfall einher, fragten wir Susanne Schreiber, ehemalige Kunstmarkt-Redakteurin im Handelsblatt: „Das gilt vor allem für den achtstelligen Preisbereich. Darunter geht es sehr viel ruhiger zu. Der Report bestätigt, was wir bereits bei der Bilanz der Auktionshäuser sahen: Der High-End-Bereich schwächelte das zweite Jahr in Folge deutlich, weil nur wenige Privatsammler geneigt sind, Spitzenwerke über 10 Millionen Dollar zu verkaufen. Schlechte Zeiten für Spekulanten. Doch das Segment der Kunst unter 50.000 Dollar wächst. Die meisten deutschen Marktteilnehmer stehen gut da, denn sie bedienen den Markt in der Mitte. Der liegt entschieden unter der Zehn Millionen Dollar-Schwelle. Laut Report ist der weltweite Anteil der Verkäufe im Bereich 500.000 bis 1 Million Dollar jüngst von 30 auf 51% gestiegen. Die Gefahr 2025 liegt nicht bei der Entwertung von Kunst, sondern im Protektionismus, weil er eingeübte, globale Handelsströme zerstört.“
Frühe Meissner Porzellane – hier im Vordergrund eine Scherzkanne in Form eines Äffchens aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts am Stand von Langeloh Porcelain – sind in den USA genauso gefragt wie in Europa. Foto: Jens Bruchhaus
Als Kunstmarkt-Region hinkt die EU mit 7% Umsatzanteil und
konkreten 4,3 Milliarden Dollar hinter den big playern USA mit 43%, Großbritannien und China mit 18 bzw. 15% weiterhin hinterher. Deutschlands Marktanteil liegt bei 3%. Auch wenn die USA laut AMR weitaus mehr Kunst exportieren als importieren, Trumps erratische Zollkanonade könnte den Kunstmarkt hart treffen, sagte uns HIGHLIGHTS-Aussteller Kristian Jarmuschek, der als Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galeristen den ganzen Markt im Blick hat: „Ob Kunstwerke künftig von Strafzöllen betroffen sein werden, ist derzeit ungewiss. Zwar gelten sie als „Informationsträger“ – ein kurioser Status, der theoretisch vor Zugriffen schützt. Aber was ist mit historischem Porzellan, Möbeln und Tafelsilber? Kunst darf nicht zum Kollateralschaden geopolitischer und ökonomischer Muskelspiele werden. Hier geht es nicht um Exportüberhänge von Fabrikwaren und Verlegung von Produktionsstätten. Das Schadensausmaß für den deutschen und europäischen Kunsthandel käme einem Tiefschlag für die Existenz vieler Galerien gleich.“
Das Angebot an Werken von Künstlerinnen in Galerien steigt und steigt. Es betrug 2024 laut Art Market Report 41 Prozent. HIGHLIGHTS-Ausstellerin Sina Stockebrand hat unter anderem Vera Molnars Gouache „18 bleus“, 27 x 54 cm, von 1959 im Portfolio. Foto: Sina Stockebrand Kunsthandel
Für den deutschen Kunstmarkt, der mit ZERO, Kunst des Informel und Neuer Figuration starke Positionen vertritt, ist diese Erkenntnis ein Lichtblick: Während Galerien, die mit zeitgenössischer Kunst handeln, 11% ihres Umsatzes einbüßten, blieben im internationalen Maßstab die Umsätze im Bereich Nachkriegskunst mit einem Umsatz von 9,4 Milliarden US-Dollar stabil. Timo Harke, Bereichsleiter VIP-Kunden beim Versicherungsmakler LEUE & NILL, sieht mehrere Gründe für diese Entwicklung: „Auch jenseits von großen Namen wie Georg Baselitz und Cy Twombly hat es in den letzten Jahren eine kontinuierliche Neubewertung der Nachkriegskunst gegeben, ohne dass dieser Markt überhitzt wurde. Als Versicherungsmakler in Sachen Kunstversicherungen habe ich beobachtet, dass es im Bereich Post War-Kunst Stabilität und zugleich eine gewisse Dynamik und frisches Interesse an Künstlern gibt, die vor 1960 geboren wurde. Dieses Marktsegment, glaube ich, könnte für Sammler weiterhin Potenzial haben, da es immer noch unterschätzte Positionen aufweist.“
Die wichtigste Botschaft Clare McAndrews: Der Kunstmarkt ist im Wandel, zeigt aber trotz wirtschaftlicher Anspannung und politischer Krisen eine bemerkenswerte Resilienz.
Thomas Atkins hat sichtlich Spaß an seiner Rolle als Fürst Chowanskij in Modest Mussorgskis Oper „Chowanschtschina“. Foto: Osterfestspiele Salzburg / © Inés Bacher
Großartige Stimmen, gefeierte Dirigenten wie in diesem Jahr der Finne Esa-Pekka Salonen, und ein Klassik-Programm jenseits des Mainstreams – das sind die Osterfestspiele Salzburg. Glanzpunkte 2025: Felix Mendelssohn Bartholdys selten aufgeführtes Oratorium „Elias“ am Karfreitag. Parallelen zur Gegenwart verbirgt Modest Mussorgskis Polit-Oper „Chowanschtschina“. Als Fürst Andrej Chowanskij agiert in diesem Ränkespiel um Macht und religiösen Fanatismus aus dem alten Russland der Tenor Thomas Atkins, vielerorts bereits bejubelt wegen seines „tenoralen Heldentums“. Termin: Ostermontag. Bis zum 21. April ist auch die Art & Antique in der Salzburger Residenz geöffnet, mit dabei die HIGHLIGHTS-Aussteller Christian Eduard Franke Kunsthandel, Sylvia Kovacek, Kunsthaus Kende, Kunsthandel Freller, The Old Treasury, Wienerroither&Kohlbacher und die Galerie bei der Albertina Zetter.
mcbw pop up x Designblok Cosmos Prague: Rauminstallation am Königsplatz. Foto: Vaclav Jirásek
Den Titel Kunststadt gesteht man München locker zu. Aber Designstadt? Aber sicher. Vor 100 Jahren wurde hier das erste Designmuseum Deutschlands gegründet. Während man im Jubiläumsjahr der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne, dem heutigen Sitz der weltweit geschätzten Design-Institution Bezüge zwischen Kunst und Produkt-Ideen um 1925 herstellt, reflektiert die munich creative business week (mcbw) vom 10. bis 18. Mai über die gestalterische Zukunft der Gesellschaft. Unter dem Motto „How to design a vibrant community“ finden über 200 Events
statt – Vorträge, Diskussionen, Ausstellungen und Installationen im öffentlichen Raum. Ein Branchentreffen, das allen offen steht. Höhepunkt: Design summit am 12. Mai im Kreativ-Space Munich Urban Colab.